Gedanken zur Auswahl der Objektive

Es hat sich viel getan in den letzten Jahren bei der Digitalfotografie. Im ersten Teil habe ich einige Gedanken zur Auswahl des Kamerasystems geschrieben. Heute im zweiten Teil geht es um die Auswahl der Objektive. Sie wird oft unterschätzt und viel diskutiert. Der Anfänger tendiert dazu eine Kamera mit vielen Funktionen, die er selten braucht, zu kaufen aber dann bei den Objektiven zu sparen. Der Enthusiast tendiert dazu einen Rucksack voller Objektiven durch die Gegend zu schleppen, aber nie das richtige Objektiv auf der Kamera zu haben. Die Wahrheit liegt sicher irgendwo dazwischen. Hier sind also einige Tipps von mir.

Völlig unterschätzt: das Kit-Objektiv

Oft wird eine Kamera mit einem einfachen Standardzoom im Kit verkauft. Bei APS-C ist das meistens ein 18-55/3.5-5.6, bei Kleinbild ein 28-75/3.5-5.6. Fragt man vermeintliche Experten, so erklären sie alle Nachteile des Kitobjektivs. Es verzeichnet stark im Weitwinkel, im Telebereich schwächelt es bei der Auflösung, außerdem zeigt es Abbildungsfehler wie CAs. Die Lichtstärke ist eher bescheiden und der Zoombereich auch nicht besonders toll. Tatsächlich aber hat so eine Kitobjektiv als Standardzoom auch viele Vorteile, die oft unerwähnt bleiben. Größe und Gewicht sind eher gering, was sich im täglichen Gebrauch positiv bemerkbar macht. Die Verzeichnungen und CAs lassen sich in Lightroom mit einem Klick entfernen. Der Zoombereich ist sehr nützlich, denn er geht von Weitwinkel bis in den leichten Telebereich. Die Naheinstellgrenze ist meistens relativ kurz und oft ist auch ein Bildstabilisator dabei. Die Wahrheit ist also, mit so einem Kitobjektiv lässt sich verdammt viel machen. Das sollte man nicht unterschätzen. So ein Objektiv ist eine Allzweckwaffe und es lassen sich tolle Fotos damit erstellen. Gerade wenn man nicht viel Ausrüstung mitschleppen will, ist ein Kitobjektiv eine gute Wahl.

Die große Frage: Zoom oder Festbrennweite

Viele Fotografen tendieren zu einem Zoomobjektiv um bei der Brennweite flexibel zu sein. So können sie in verschiedenen Situationen schnell reagieren und passende Fotos machen. Allerdings sind Zoom-Objektive recht aufwändig konstruiert und daher meistens groß, schwer und teuer. Einfache Exemplare haben eine variable Lichtstärke bis f/5.6, mittlere Zoom bieten f/4.0 und die großen und teuren Zooms haben f/2.8. Ganz anders sieht es bei Festbrennweiten aus, sie sind in der Regel kompakt und leicht. Einfache Festbrennweiten bieten dabei schon Lichtstärken von f/2.8 bis f/1.8 und bessere Objektive bieten sogar f/1.4. Dabei sind die Festbrennweiten nicht nur deutlich kompakter bei größerer Lichtstärke, sie haben auch noch eine bessere Abbildungsqualität und oft eine kürzere Naheinstellgrenze. Es gibt also viele Vorteile, die für Festbrennweiten sprechen. Aber man hat eben nur eine bestimmte Brennweite zur Verfügung und ist auf diesen Blickwinkel festgelegt. Viele haben dabei Angst etwas zu verpassen oder in einer Situation nicht das passende Bild machen zu können, weshalb sie Zooms bevorzugen. Ich stelle allerdings fest, dass ich beim Fotografieren mit Festbrennweiten andere Bildausschnitte wähle und oft eine bessere Komposition im Bild habe. Die Verwendung einer festgelegten Brennweite kann für die Bildgestaltung zuträglich sein. Letztendlich ist die Frage Zoom oder Festbrennweite keine Schwarz-Weiß-Entscheidung. Für manche Fälle mag man mit einem Zoom besser dran sein, in anderen Fällen ist eine Festbrennweite die bessere Wahl.

Verlockend: Tele und noch mehr Tele

Anfänger lieben Tele-Objektive. Die Möglichkeit etwas weit Entferntes quasi nah heranzuholen, fasziniert sie. Nach einiger Zeit stellt man dann fest, dass die Fotos eher flach sind und nur eine begrenzte Wirkung entfalten. Nur im Sport- und insbesondere im Wildlife-Bereich benötigt man tatsächlich lange Tele-Brennweiten. Bei anderen Sujets wie Reise, Landschaft, Architektur, Reportage wirken kürzere Brennweiten oft besser. (Lese-Tipp: Telephoto is for Cowards.) Mir persönlich reicht eine Brennweite von 200mm (Kleinbild) völlig aus, aktuell beträgt meine längste Brennweite sogar nur 125mm. Während Tele-Objektive bis 200mm noch halbwegs kompakt sind, werden Objektive mit längeren Brennweiten auch schnell sehr groß und sehr teuer. Meine favorisierte Wildlife-Linse, das Canon 100-400L, ist schon ein ziemlicher Klotz. Möchte man ein längere Brennweite oder etwas mehr Lichtstärke haben, kommt man in den Bereich der Superteles. Ein 300/2.8 ist hier sozusagen der Einstieg, solche große und teure Objektive sind nur etwas für Spezialisten. Daher lautet mein Rat zu hinterfragen wie viel Tele man tatsächlich braucht. So etwas wie ein 70-200/4.0 oder ein 135er sollte eigentlich völlig ausreichend sein.

Spezialist: das Makro-Objektiv

Nah, näher, am nächsten. Nur mit einem Makro-Objektiv kommt man ganz nah ran um kleine Motive groß zu fotografieren. Als echte Makro-Objektive werden dabei Festbrennweiten bezeichnet, die einen Abbildungsmaßstab von 1:1 erlauben. Eine beliebte Brennweite ist 100mm (Kleinbild), es gibt aber auch andere Brennweiten. Makro-Objektive zeichnen sich in der Regel mit guten Abbildungseigenschaften aus, sodass sie auch gerne für andere Zwecke (z.B. Portrait) verwendet werden. Obwohl grundsätzlich nichts dagegen spricht, wäre man dann mit einer Portrait-Festbrennweite besser dran, finde ich. Daher hat mir das Canon 100/2.0 auch immer besser gefallen als das 100/2.8 Makro. Zumal der Autofokus beim Makro auch langsamer ist. So ein Makro-Objektiv macht letztendlich nur Sinn, wenn man diesen Fotobereich tatsächlich viel benutzt. Für gelegentliche Aufnahmen im Nahbereich kann eine normale Festbrennweite mit einem Zwischenring durchaus ausreichend sein.

Alles in einem: das Superzoom

Sie sind sehr verlockend: Objektive mit einem großen Zoombereich, sogenannte Superzooms. Meistens bieten sie 18-200mm (APS-C) oder 28-200mm (Kleinbild), manche gehen sogar bis 300mm. Hier hat man sozusagen Standardzoom und Telezoom in einem und braucht keine Objektive wechseln. Das kann echt praktisch sein z.B. war ich mal in Vietnam mit Nikon D700 und 28-300G unterwegs. Auch an der Sony A7RII habe ich eine Zeit lang das FE 24-240mm genutzt. Die Möglichkeit von Weitwinkel bis Tele die verschiedenen Brennweiten in einem Objektiv nutzen zu können, ist schon sehr verlockend. Aber letztendlich stellt man dann fest, dass so ein Superzoom ziemlich groß und schwer ist. Dabei hat es eine bescheidene Lichtstärke am langen Ende mit f/5.6, manchmal nur f/6.3, und die Abbildungsqualität ist auch eher ein Kompromiss. Gerade am kurzen und langen Ende schwächelt die Bildqualität deutlich gegenüber hochwertigen Objektiven. Das ist halt der Preis für den großen Zoombereich, schließlich gibt es nichts umsonst. Ich möchte von Superzooms nicht grundsätzlich abraten, aber man sollte sich des Kompromisses bewusst sein.

Weit- und Ultraweitwinkel

Was ist besser als Weitwinkel? Ultraweitwinkel! Ein großer Bildwinkel kann faszinierende Perspektiven eröffnen. Dafür braucht man eine kurze Brennweite. Auf Kleinbild bezogen sind 24-28mm normaler Weitwinkel, 18-21mm starker Weitwinkel, 15-17mm Ultraweitwinkel und 12-14mm Extremweitwinkel. Je weiter die Perspektive, desto schwieriger die Bildkomposition. Der Effekt ins Bild gezogen zu werden ist sicher nett, aber es ist recht schwierig damit gut umzugehen. Da ist der Telebereich gefälliger und einfacher, was den Bildaufbau angeht. Dennoch gehört ein Weitwinkel (das Zeiss FE 16-35) zu meinem Lieblingsobjektiven. Manche Architektur- und Landschaftsfotografen können gar nicht genug bekommen. Voigtländer hatte lange Zeit den Rekord für das weiteste Objektiv (ohne Fisheye-Effekt) mit dem VM 12mm inne. Dann kam Canon und brachte das 11-24L. Inzwischen bietet Voigtländer sogar ein 10mm Objektiv an. Ich persönlich finde solche extremen Blickwinkel übertrieben, ebenso wie bei Fisheye-Objektiven ist der Effekt recht eingeschränkt und nutzt sich schnell ab. Ein solides Ultrawinkelzoom wie ein 16-35 finde ich allerdings sehr nützlich für viele Anwendungen.

Auf die Lichtstärke kommt es an

Tja, man kann nie genug Lichtstärke haben. Lieber ein f/2.8 Zoomobjektiv als eins mit f/4.0. Lieber eine Festbrennweite mit f/1.4 als eine mit f/2.0. Oder am besten gleich eine ultra-lichtstarkes Objektiv wie ein 50mm f/0.95. Schließlich ist es die Lichtstärke, die es erlaubt kurze Belichtungszeiten zu nutzen und vor allem eine geringen Schärfentiefe zu nutzen. Nur mit einem lichtstarken Objektiv bekommt man einen schönen unscharfen Hintergrund. Es gibt da nur ein Problem: lichtstarke Objektive sind viel größer, schwerer, teurer als ihre weniger lichtstarken Versionen. Ein 24-70/4.0 ist ziemlich handlich und einigermaßen bezahlbar – ein 24-70/2.8 ist schon ein ganz schön sperriger Klotz und sehr teuer. Ähnlich ist es bei Festbrennweiten. Während das Canon 85/1.8 klein, leicht und handlich ist (und günstig), ist das Canon 85/1.2 sehr groß und schwer (und sehr teuer). Es bietet halt eine Blende mehr Lichtstärke. Letztendlich muss das jeder Fotograf für sich entscheiden. Der Landschaftsfotograf wird sich mit einem 16-35/4.0 zufrieden geben, der Sportfotograf wird ein 70-200/2.8 haben wollen und der Porträtfotograf überlegt, zu welchem 85er er greifen soll. Zum Teil läuft das auch wieder auf die Frage Zoom oder Festbrennweite hinaus. Ein schlauer Mann hat auch mal gesagt: Objektive werden umso teurer, je weniger man sie braucht.

Brauche ich das alles wirklich?

Und genau darum geht es: Was braucht man denn wirklich? Will man für alles gerüstet sein oder konzentriert man sich auf bestimmte Sachen? Ist man bereit einen schweren Fotorucksack mit vielen Objektiven zu schleppen oder möchte man mit leichten Gepäck und nur wenigen Objektiven unterwegs sein? Gerade in der Reisefotografie, ist das eine entscheidende Fragestellung. Früher habe ich ganze Rucksäcke voller Fotoausrüstung durch die Gegend geschleppt. Inzwischen habe ich festgestellt: Weniger ist mehr! Ich erinnere mich gerne an einen Urlaub auf Teneriffa, da hatte ich nur zwei Objektive dabei. Ich war nur mit Canon 5D, 16-35L und 135L unterwegs. Dabei habe ich gar nichts vermisst. Oder bei einem Aufenthalt in Paris, wo ich nur die 6D mit dem 24-70L mitgenommen hatte. Anfangs fiel es mir schwer das Ultraweitwinkel und das Tele zuhause zu lassen. Aber unterwegs in der Stadt habe ich mich über das leichte Gepäck gefreut und festgestellt, dass ich manche Motive aufgrund der Beschränkung anders aufgenommen habe. Ich meine, dass die Fotos im Endeffekt besser geworden sind. Daher möchte ich euch den Tipp geben: Überlegt genau, was ihr auf eine Reise mitnehmen (mitschleppen) wollt und traut euch auch mal auf manche Brennweiten zu verzichten. Seht die Reduktion als eine fotografische Herausforderung und eure Bilder werden besser werden!

Tipps für APS-C

Tja, nun habe ich viel geschrieben aber wenige konkrete Objektive genannt. Was ist denn nun zu empfehlen? Das kommt drauf an! Wenn du eine APS-C-Kamera hast, dann hat Nikon ein nettes 18-140mm im Angebot, sozusagen ein Standardzoom als Reisezoom. Auch andere Hersteller haben schöne Standardzooms z.B. ist das das Fujifilm 18-55/2.8-4.0 einigermaßen lichtstark mit guter Abbildungsqualität und das Sony 16-50/3.5-5.6 ist super kompakt. Fujifilm hat mit dem 10-24/4.0 ein sehr gutes Ultraweitwinkelzoom und mit dem 35/1.4 eine tolle Festbrennweite. Interessant sind auch das Canon 22/2.0 (sehr klein und lichtstark) und das manuelle Samyang 12/2.0 (sehr weit und lichtstark).

Tipps für Kleinbild

Für Kleinbild-Kameras, also Vollformat, ist das Angebot noch größer. Das Canon 24-70/2.8 ist ein toller Allrounder der Luxusklasse. Deutlich einfacher und auch älter ist das Nikon AF-D 24-85/2.8-4, was ich aber aufgrund seiner Eigenschaften sehr mag. Nikon hat mit dem alten AF-D 85/1.4 auch eine tolle Festbrennweite, die noch relativ kompakt ist. Außerdem bietet Nikon mit dem AF-G 24-120/4 auch eine gutes Allround-Zoom. Bei Sony sind zwei Zeiss-Objektive meine Lieblinge: das Ultraweitwinkelzoom 16-35/4 und das fantastische 55/1.8. Beachtlich ist auch das kompakte aber leistungsfähige Voigtländer VM 35/1.2. Natürlich gibt es noch viele mehr, aber ich will hier nicht zu viele aufzählen. Je nach Schwerpunkt kann die Auswahl sehr unterschiedlich sein.

Tipps für den Objektivkauf

Wenn man dann seine Auswahl getroffen hat, dann steht der Kauf an. Muss es unbedingt ein neues Objektiv sein? Oft kann man mit einem Gebrauchtkauf viel Geld gegenüber dem Neupreis sparen (und hat praktisch keinen Verlust, wenn man das Objektiv später einmal verkauft). Voraussetzung dabei ist aber, dass man dem Verkäufer einen pfleglichem Umgang mit dem Objektiv zutraut und es nicht beschädigt ist. Zwei Tipps möchte ich noch loswerden: Kauft niemals ein Objektiv direkt vor dem Urlaub sondern nehmt euch etwas Zeit zum Eingewöhnen mit der neuen Linse. Geht mal einen Tag nur mit dem neuen Objektiv fotografieren um mit der Brennweite und den Eigenschaften vertraut zu werden. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Fotografieren, mit welchen Objektiv auch immer!

19.02.2017

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One comment

  • Tobias 19.03.2017   Reply →

    Richtige und gute Überlegung. In der Tat gibt es nicht das beste Objekiv, sondern fast jedes hat seine Daseinsberechtigung. Ein Foto lebt auch nicht von technischer Perfektion, sondern maßgeblich von Stimmung. Leider geht das oft unter in einschlägigen Reviews, wo dann die Randunschärfe oder dergleichen bemängelt wird. Ich glaube ich habe noch nie bei einem “Best of” Foto gedacht, hätte ich das doch nur mit einer “besseren Linse” gemacht. Offensichtlich war zu dem Zeitpunkt die Linse für dieses Foto perfekt. Besser werden Fotos durch Fantasie, Ausprobieren, Übung und nicht alleine aufgrund besserer Objektive.

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